Die wohl wichtigsten Risikofaktoren beim Bondage.
Für das internationale Bondage-Treffen von Riggern im Mai 2022, das wieder im IKSK in Berlin stattfand,habe ich einen WS zu sicherheitsrelevanten Themen beim Bondage erarbeitet.
Aus über zweihundert Fallbedrichten, einigen Veröffentlichungen und aus Gesprächen mit seit vielen Jahren aktiven Riggern haben sich die folgenden Faktoren herauskristallisiert, die besonders für Anfänger und noch wenig Erfahrene wichtig sein dürften.
Glücklicherweise sind die meisten Zwischenfälle beim Bondage zwar lästig und evtl auch schmerzhaft, aber nur wenige führen zu dauerhaften Schäden an Nerven und Gelenken.
Aber es gibt einige Dinge , die immer wieder zu Schäden führen.
- Überschätzen der eigenen Möglichkeiten Das scheint die häufigste Ursache für Unfälle zu sein. Bondage ist nicht in ein paar Monaten zu beherrschen. Also versuche nicht gleich, es den „Profis“ gleichzutun! Sei selbstkritisch und schätze Deine eigenen Möglichkeiten realistisch ein. Das gilt für Passive genauso wie für Aktive! Ein Profi-Bunny ist viel beweglicher und hält viel mehr aus als ein untrainiertes! Das muß auch der Rigger berücksichtigen!
- Eile und Hast haben beim Fesseln nichts zu suchen Natürlich soll es nicht ewig dauern und möglichst fließend aussehen. Aber gerade am Anfang musst Du auf jeden Knoten und auf Lage und Verlauf des Seils achten. Erst wenn Dir die nötige Technik in Fleisch und Blut übergegangen ist, wird Dir eine „fließende“ Bondage sicher gelingen. Vorher drohen bei Hektik Nervenschäden, Durchblutungsprobleme und sogar Abstürze. Also: Nimm Dir Zeit! Sei lieber ein wenig langsamer, als zuviel zu riskieren. Mit zunehmender Übung wirst Du eh schneller! (und beobachte mal richtig gute Rigger: die genießen und zelebrieren in Teilen ihres Programms förmlich die Langsamkeit. )
- Mangelnde Kommunikation zwischen Bunny und Rigger
Hier liegt die größte Verantwortung fast bei der passiven Person.
Ob eine Hand zu kribbeln anfängt, etwas zu schmerzen beginnt ,taub wird, sich Kreislaufprobleme ankündigen oder die Atmung schwerer geht, kann der Aktive oft nicht selbst bemerken. Dabei ist er auf den Hinweis angewiesen, damit er darauf reagieren kann. (dass er das auch sofort tut, sollte selbstverständlich sein!)
Auf keinen Fall sollte das Bunny die Zähne zusammenbeißen, nach dem Motto : „das halte ich schon noch 10 Minuten aus, schließich bin ich doch kein Weichei“ Nerverschäden können in wenigen Minuten entstehen!
Der Aktive sollte immer wieder testen, ob alles ok ist, keine sichtbaren
Durchblutungsstörungen auftreten und es dem Partner gut geht. Das geht weitgehend nonverbal. Ein vereinbarter Händedruck kann sagen, dass alles gut ist und wenn er nicht erwidert wird, dass etwas nicht stimmt.
Also: achtet aufeinander, auch wenn ihr Euch auf die Seile konzentriert!
Ohne gute Kommunikation steigt das Risiko beim Bondage stark an!
- Bunny und Rigger kennen sich nicht.
Bevor Du Dich einem unbekannten Rigger anvertraust, solltest Du Dich
informieren – bei gemeinsamen Bekannten ,. durch Augenschein und auch bei ihm selbst – was er machen will und wieviel Erfahrung er hat.
Sei aber auch vorsichtig, wenn er Dich nichts fragt!
Wenigstens ob Du irgendwelche relevanten Erkrankungen (wie Diabetes, Thrombosen oder Gefäßerkrankungen) hast und ob Du schon öfter gefesselt worden bist. Auch bei bestehenden orthopädischen Problemen , wie Bewegungseinschränkungen und Rückenproblemen kann man noch fesseln, muß aber dann genau wissen , was man tut und was unter den bestehenden Bedingungen möglich ist. Hier ist dann Kommunikation ganz besonders wichtig!
5.Mangelhafte Technik
Ich fand früher die Genauigkeit, die von manchen Bondagelehrern
gefordert wird, übertrieben und nervig. Heute bin ich anderer Meinung.
Gerade die Beschäftigung mit Unfällen, vor allem beim Hängebondage,
hat mich davon überzeugt, wie wichtig eine gute Technik ist. Knoten an den falschen Stellen ,sich kreuzende, nicht parallele Seile, bei denen bei
Positionsänderungen das Gewicht plötzlich nur noch von einen Seil gehalten wird ,das dann einen viel höheren Druck auf das darunter liegende Körpergewebe ausübt, zu fest oder zu locker gelegte Umschlingungen – leider gibt es eine Vielzahl von Fehlermöglichkeiten.
Eine gute Technik zu lernen mag lästig sein, sie ist aber für die Minimierung von Unfällen wichtig.
Also lernt bei Könnern!
(PS.: Ich selbst gebe keine Bondagekurse. Aber ich weiß, dass manche Anbieter von Workshops leider ihre eigenen Kenntnisse erheblich überschätzen! Erkundigt Euch vorher und vergleicht!)
6. Fehlende Anatomische Kenntnisse.
Wenn man nicht weiß, wo z.B ein Nerv verläuft , kann man auch nicht vermeiden, ihn zu verletzen. Wenn man weiß, warum der Bereich von Gelenken besonders gefährdet ist, wird man dort automatisch vorsichtig sein. Mangelnde anatomische Grundkenntnisse sind ein häufiger Grund
für Verletzungen – übrigens auch im gesamten SM-Bereich.
Sich mit Anatomie, speziell für Rigger und Bunnys zu beschäftigen, hilft sicher, manchen Zwischenfall zu vermeiden.
Wer Bondage, speziell Suspensions, intensiv betreiben will, sollte sich detaillierter über anatomische Strukturen, Zeichen von Nerven- oder Gefäßproblemen und ihre Unterscheidung informieren.
DocHenryBerlin